... Am nächsten Morgen stellte sich der neue Mieter der Mansardenwohnung vor. „Simon Jankowski“, sagte er und verbeugte sich leicht mit altmodischer Höflichkeit, als deute er einen Handkuss an. Er hatte eine angenehme Stimme und sprach mit sanft knarrendem Akzent. Elinor sah einen großen Mann jenseits der fünfzig mit grauen Augen, graugesticheltem Haar und schmalen Wangen. Gärtnerbräune, dachte sie, die am Kragen und über den Ellenbogen aufhört. Weißes Hemd, Khakihose, Lederschuhe. Zu seinen Füßen lag ein Seesack, darüber eine abgetragene Barbourjacke. Er roch nach Zigaretten und seine Augen verrieten ihr, dass er trank. Hoffentlich benimmt er sich da oben, dachte sie.
Er sah eine alte Jungfer, noch schlank, noch ganz appetitlich, mit hohen Wangenknochen, die sie auch im nächsten Jahrzehnt noch gut aussehen lassen würden und einem Haarschopf, so fest, dass ein Pfeil darin stecken bleiben würde. Ihre Hände waren lang und elegant, ihre Augen von einem überraschend dunklen Blau. Sie kam ihm auf sein Klingeln im Vestibül entgegen, als habe sie ihn auf die Minute erwartet, einen Schlüsselbund in der Hand und so kühl wie die roten Kacheln an der Wand.
„Sander“, sagte sie, ohne ihm die Hand zu reichen, nickte und musterte ihn mit dem allersparsamsten Lächeln. Die kann mich nicht leiden, dachte er. Ein barsches Weib. Offenbar auf dem Kriegspfad. Nicht sein Fall.
„Ist das Ihr ganzes Gepäck?“
„Mehr habe ich nicht.“
„Dann hier hinauf, bitte.“
Nach dem zweiten Stock endete das gedrechselte Geländer. Eine einfache Dachbodentreppe führte zu einem kurzen Flur und einer alten Tür mit geriffelten Scheiben zwischen den Sprossen. Sie sperrte auf und er trat hinter ihr ein.
„Es ist eine Nichtraucherwohnung.“
„Gewiss.“
„Wohnzimmer, Schlafzimmer, im dritten Zimmer habe ich ein paar von meinen Büchern stehen. Wenn Sie etwas lesen wollen, können Sie sich gern bedienen. Küche und Bad sind da drüben. WLAN hier am Schreibtisch. Bettbezüge und Handtücher finden Sie im Schrank, Putzsachen in der Abseite.“
Er sah sich um. Bis auf das alte Ledersofa und eine antike Truhe, auf der das Fernsehgerät stand, waren die Zimmer mit schlichten hellen Möbeln eingerichtet, die nicht geeignet waren, das ästhetische Empfinden der wechselnden Mieter zu beleidigen. Im Schlafzimmer fiel sein Blick durchs Dachfenster auf die lebhaft schwankende Krone einer großen Fichte. Das entsprach nicht seinen Vorstellungen. Er hatte damit gerechnet, den Friedhof zu überblicken.
Aus Magnolienmord